22.06.2025

Taiwan Today

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Taiwan über Netz und Äther

28.04.2006
Die RTI-Redaktion von links nach rechts: Fabian Roday, Martin Aldrovandi, Sarah Röhlig, Eva Triendl und Chiu Bihui.

Durch das Internet ist das Rundfunkprogramm der öffentlich-rechtlichen Medienanstalt Radio Taiwan International heute endlich nicht mehr nur Kurzwellen-Enthusiasten zugänglich.

Der Sender hat Tradition. Der Vorläufer von Radio Taiwan International (RTI), einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt, die für Taiwans Auslandsrundfunk verantwortlich ist, war 1928 als "Central Broadcasting System" (CBS) in Nanjing, der damaligen Hauptstadt der Republik China, gegründet worden und kam in den vierziger Jahren gemeinsam mit der Regierung der Republik China nach Taiwan. Der Auslandsdienst von CBS, die "Broadcasting Corporation of China" (BCC), begann im Jahre 1986 mit der Ausstrahlung einer Stunde deutschsprachigen Programms täglich über Kurzwelle, der "Stimme des Freien China". 1998 wurde CBS im Rahmen einer Medienumstrukturierung mit BCC zusammengeschlossen und sendete die Programme unter dem Namen "Radio Taipei International", am 1. Juli 2003 wurde der heutige Name angenommen.

RTIs Hauptaufgabe besteht in der Vermittlung eines möglichst umfassenden Bildes von Taiwan in der Welt. Aus diesem Grund werden bei RTI jeden Tag Programme in vier chinesischen Dialekten und 9 anderen Sprachen erstellt -- neben Mandarin-Hochchinesisch, dem Minnan-Dialekt (der in der festlandchinesischen Provinz Fujian gesprochen wird und auch Hokkien, Holo oder Hoklo genannt wird), Hakka und Kantonesisch gehen Sendungen auf Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch, Japanisch, Thai, Vietnamesisch, Indonesisch und natürlich auf Deutsch in den Äther.

Bis vor wenigen Jahren war der Äther die einzige Methode nach Wahl zur Übermittlung der Programme. RTI nutzt heute 10 Mittelwellen- und 68 Kurzwellenfrequenzen, ausgestrahlt wird von neun über ganz Taiwan verteilte Sendeanlagen mit einer Gesamtsendeleistung von 10 050 Kilowatt. Neben den Sendeanlagen in Taiwan werden auch noch Sender in anderen Ländern genutzt.

Das Internetzeitalter ging jedoch auch an RTI nicht spurlos vorbei. Seit Dezember letzten Jahres bietet RTI auf seinen neuen Websites nicht nur aktuelle Nachrichten, Programmvorschau, eine Auflistung der Sendezeiten und -frequenzen sowie andere Informationen auf Chinesisch und den anderen neun Sprachen. Durch Optionen wie Audio on Demand oder Livestream mit RealAudio oder Windows Media Player können nun auch Interessierte die Radiosendungen hören, die einen Computer, aber keinen Kurzwellenempfänger besitzen.

Ein facettenreiches Programm

Das einstündige Programm der Deutschredaktion beginnt jeden Tag mit zehn Minuten aktuellen Nachrichten aus Taiwan, gefolgt von 10-minütigen themenspezifischen Sendungen wie "Wirtschaftsmagazin", "Aus Politik und Gesellschaft", "Blickpunkt China" und anderen. Die restlichen 40 Minuten Sendezeit sind einer Magazinsendung mit dem wunderschönen Namen "Taiwan heute" vorbehalten, in der umfassend über das tägliche Geschehen in den unterschiedlichsten Lebensbereichen informiert wird und die sich aus festen Rubriken und einzelnen Beiträgen und Berichten von verschiedener Länge zusammensetzt.

Von seltenen Ausnahmen abgesehen, werden die deutschsprachigen Sendungen vor dem Ausstrahlen aufgezeichnet. "Ein Jahr nach dem schweren Erdbeben vom 21. September 1999 haben wir eine Livesendung mit einem Gast im Studio gemacht", berichtet Chiu Bihui, Programmkoordinatorin und Reporterin des deutschsprachigen Dienstes von RTI. "Es gab auch schon mal Callout-Sendungen, in denen Hörer per Telefon zu Wort kamen, aber normalerweise gibt es wegen des Zeitunterschiedes zwischen Taiwan und Deutschland keine Livesendungen." Live werden von RTI nur die Nachrichten und Nachrichtensendungen der chinesischen Dialekte sowie teilweise die Nachrichten auf Englisch und einigen asiatischen Sprachen gesendet.

Immerhin müssen bei aktuellen Ereignissen die Sendungen noch kurzfristig auf den neuesten Stand gebracht werden. "Nach den Schüssen auf Präsident Chen Shui-bian(陳水扁) und Vizepräsidentin Lu Hsiu-lien(呂秀蓮) am 19. März 2004 einen Tag vor der Präsidentschaftswahl wurde die Sendung erst fünf Minuten vor dem Ausstrahlen fertig, das war also fast live", erzählt die Moderatorin und Reporterin Eva Triendl. Der Redaktionsschluss des deutschsprachigen Dienstes wurde mit Rücksicht auf den Zeitunterschied -- im Sommer sechs Stunden, im Winter sieben Stunden -- bewusst in die späten Abendstunden der taiwanischen Zeit gelegt, damit die Sendungen im deutschsprachigen Raum zur besten Sendezeit spätnachmittags und abends empfangen werden können.

Die Nachrichten und die anderen Sendungen haben durchweg einen Taiwanbezug. "In anderen Sprachen wie etwa Vietnamesisch werden auch internationale Nachrichten gebracht, weil es in den betreffenden Zielländern Bedarf an internationalen Informationen gibt", sagt Triendl. "Bei Deutsch ist das nicht notwendig."

Für die Erstellung der Nachrichtensendungen nutzen die Redakteure die chinesischsprachige Datenbank im internen RTI-Informationsnetz, die allen Redaktionen der Anstalt zur Verfügung steht. "Das chinesischsprachige Programm von RTI hat eigene Journalisten, die Interviews führen, Berichte schreiben und Features verfassen, und aus diesem Pool kann man auswählen, was man braucht", verrät Chiu. Das chinesische Material eignet sich oft auch für Sendungen aus dem Kulturbereich. "Die haben viele Interviews, welche die anderen Sprachen wohl nicht so einfach bekommen würden, etwa mit dem Regisseur Ang Lee, als sein Film 'Brokeback Mountain' mehrere Oscars bekam", meint Martin Aldrovandi, RTI-Moderator und Reporter. "Daraus kann man Auszüge nehmen, die ins Deutsche übersetzen und in der Sendung verwenden."

Allerdings sitzen die Redakteure natürlich nicht die ganze Zeit nur im RTI-Gebäude im Büro, in ihrem Aufnahmestudio oder an einem der Audio-Nachbearbeitungsplätze. "Bei kulturellen Veranstaltungen im Raum Taipeh gehen wir gerne selbst hin, denn bei der Berichterstattung darüber geht es auch um den persönlichen Eindruck", versichert RTI-Moderator und Reporter Fabian Roday. "Wenn jemand anders geschrieben hat, 'das Konzert war hervorragend', kann man das nicht unbedingt übernehmen, weil das eine persönliche Einstellung ist."

Taiwan über Netz und Äther

Aufgrund des Zeitunterschieds zu Mitteleuropa wurde der Redaktionsschluss der deutschsprachigen Redaktion in die späten Abendstunden taiwanischer Zeit gelegt.

Fortschritt durch Technik

Seitdem RTI online ist, fährt der Sender sozusagen zweigleisig, und laut Triendl sind die Sendungen auch direkt nach dem Ausstrahlen über die RTI-Homepage (http://german.rti.org.tw) abrufbar. Die Website ist jedoch auch für Kurzwellenhörer von Interesse, da sich beispielsweise die schriftlichen RTI-Nachrichten inhaltlich von den Radiosendungen unterscheiden. "Die Nachrichtensendungen müssen kompakt sein, im Internet hat man mehr Platz", erläutert Roday.

Überhaupt hatte der Siegeszug des Internet unübersehbare Auswirkungen auf das Wesen des Journalismus, was ebenfalls die Arbeit von RTI veränderte. "Als ich vor 14 Jahren hier angefangen habe, übersetzten wir die Nachrichten aus den chinesischsprachigen Zeitungen Taiwans ins Deutsche, und die kamen in Deutschland dadurch einen Tag zu spät an", erinnert sich Chiu. "Durch das Internet hat sich die Verzögerung auf ein paar Stunden verkürzt." Außerdem waren vor dem Aufkommen des Internet die RTI-Radiomeldungen in Deutschland noch neue Nachrichten, enthüllt Triendl und fährt fort: "Wenn RTI heute sendet, dann hat man in Deutschland diese ganzen Informationen schon im Internet, Radio und vielleicht auch schon im Fernsehen gehabt. Die Menschen haben die Informationen in Rohform, deswegen muss RTI die ganzen Hintergründe liefern und die Zusammenhänge klar machen."

Der hohe Informationswert der laufend aktualisierten Internetnachrichten von RTI wird durch das Interesse deutschsprachiger Medienanbieter verdeutlicht. "Von denen kommen immer wieder Anfragen, Meldungen von uns zu übernehmen", freut sich Triendl. "Wenn sie auf die RTI-Homepage verweisen, dürfen sie das kostenlos übernehmen." Von größerer Bedeutung sind die Partnerschafts- und Kooperationsbeziehungen, welche RTI mit der Deutschen Welle (DW), Voice of America, Radio France International, Radio Free Asia und anderen Anstalten unterhält. Im Juli 1999 unterzeichneten RTI und DW ein Kooperationsabkommen, und nach einem Besuch von DW-Journalisten in Taiwan im November 2004 besuchte RTI-Intendant Lin Feng-jeng vergangenes Jahr die DW-Zentrale in Deutschland. Im April dieses Jahres hielt ein DW-Mitarbeiter einen einwöchigen Journalismus-Lehrgang in englischer Sprache ab, an dem alle Mitarbeiter von RTI teilnehmen konnten.

Im Dienste der Hörer

Die Abrufbarkeit der RTI-Sendungen im Internet hat nicht nur die potenzielle Hörerschaft enorm vergrößert, sondern auch die Bequemlichkeit erhöht. Man muss heute nicht mehr pünktlich zum Sendebeginn den Kurzwellenempfänger einschalten und auf gute Empfangsbedingungen hoffen, sondern kann bis zu eine Woche nach der Ausstrahlung die gewünschten Programme auf der RTI-Website anklicken und in störungsfreier Qualität als Audio on Demand hören. "Weitere Angebote wie Podcasting sind in Planung", weiß Chiu. Für Kurzwellenfans ist die RTI-Website eine wertvolle Möglichkeit, sich zusätzliche Informationen zu beschaffen und beispielsweise Fotos von Orten anzuschauen, die in Reiseberichten im Radioprogramm vorgestellt wurden.

Der Kontakt und Austausch mit den Hörern spielt bei RTI schon seit langem eine wichtige Rolle. Für die Bearbeitung der 200 bis 250 Zuschriften im Monat beschäftigt die Redaktion eigens eine Assistentin, die Fragen von Hörern an die Redakteure weitergibt, damit sie in der Sendung "Hörerbriefkasten" beantwortet werden. Neben Fragen zu Nachrichtenmeldungen und Programminhalten erhält die Redaktion auch häufig Berichte über Taiwan aus deutschen Medien zugeschickt. "Manche Hörer sammeln deutsche Nachrichten über Taiwan und schicken uns das als Email-Anhang oder als Zeitungsausschnitte per Post", bemerkt Roday. "Das ist ganz interessant, denn dadurch bekommt man teilweise mit, was in den deutschen Medien so los ist."

Seit 1999 organisiert der deutschsprachige Dienst von RTI jedes Jahr ein bis zwei Hörertreffen, zu denen meist Chiu Bihui ins deutsche Sprachgebiet reist. Die nächsten Treffen sind im Mai dieses Jahres in Berlin, Duisburg und Ottenau vorgesehen, an denen übrigens nicht nur Chiu teilnehmen wird, sondern auch RTI-Intendant Lin. "Manchmal kommen zu diesen Treffen außerdem ehemalige Kollegen oder Praktikantinnen", sagt Triendl. Besonders erinnerungswürdig war ein Hörertreffen, dass 2003 in Berlin stattfand -- das Treffen wurde mit einer Führung durch die zu jener Zeit im Alten Museum gastierenden Ausstellung "Schätze der Himmelssöhne" des Nationalen Palastmuseums Taipeh verbunden.

Angekündigt werden solche Hörertreffen natürlich im Radio, auf der Website und außerdem in der vierseitigen Programmbroschüre "RTIntern", die vierteljährlich mit einer Auflage von 500 Stück erscheint. In der jüngsten, von der RTI-Redakteurin Sarah Röhlig gestalteten Ausgabe von RTIntern konnte man Briefe an die Hörer, Reiseberichte und Berichte von Hörertreffen finden. Das Blatt ist überdies ein geeignetes Forum zur Vorstellung neuer Redaktionsmitglieder und Praktikanten, und es wird an Hörer verschickt, die regelmäßig an RTI schreiben oder Interesse an der Broschüre bekundet haben.

Die lebhafte und positive Resonanz auf die Meldungen und Programme von RTI in akustischer und schriftlicher Form beweist, dass im deutschsprachigen Raum ein ungebrochenes Interesse an Informationen über Taiwan aus erster Hand besteht und RTI für die Medienlandschaft eine wertvolle Bereicherung darstellt.

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